Evangelisch aus gutem Grund

Evangelisch - aus gutem Grund!

Haben Sie diesen bekannten Slogan schon einmal hinterfragt?

Was ist Evangelisch - Was ist der Grund?

 


Was ist Evangelisch?

Vielerorts ist die Bedeutung von "evangelisch" noch negativ belegt:

  • Wir haben anders als die Katholische Kirche keinen Papst.
  • Wir haben andres als die orthodoxe Kirche keine Bilderverehrung.

Aber Positiv?

Gehen wir zurück zur Gründung unserer Kirche, zu Martin Luther. Die vielleicht eindeutigste Bestimmung, woran sich Kirche zu orientieren hat, geht auf ihn zurück, und zwar festgeschrieben in dem vierfachen Soli oder auf Deutsch "Allein":

Allein Christus, Allein aus Gnade, Allein aus Glauben und als nicht ganz dazugehörendes: Allein die heilige Schrift.

1. Allein die Schrift

Das sola scripura-Prinzip steht in reformierter Tradition gegen das katholische Prinzip mehrerer Glaubensnormen. Nach dem II. Vaticanum sind als Glaubensnormen Schrift und Tradition zu berücksichtigen. Nimmt man das Lehramt hinzu, sind es eigentlich sogar drei. Päpste und Konzilien können irren, meinte Luther, und anerkannte als einzige Glaubensnorm die heilige Schrift, womit er die gute evangelische Tradition begründete.

Hierbei treten Probleme auf, denn sehen wir es uns einmal genauer an, so müssen wir feststellen, dass die Schriften und ihr Kanon erst durch die Tradition definiert wurden, d.h. die Tradition stand vor der Schrift. Zudem lässt sich beobachten, dass die Fixierung der kanonischen Schriften von Anfang an mit Schwierigkeiten verbunden war. 

Für Luther gehörte zum Kanon, was da "Christus treibet". D.h. es ist ohne Bedeutung, wer die Schrift verfasst hat, sondern ob sie in ihrer Art apostolisch ist, d.h. das beinhaltet, was Christus gelehrt hat. Wie auch immer man den Kanon definiert, er wird niemals etwas festes, eindeutig bestimmbares sein. Und vielleicht ist dieses Wissen darum auch das spezifisch Evangelische: Zu wissen, dass jede dogmatische Entscheidung letztlich auf Hypothesen baut und uns damit wieder auf die drei ersten "Allein" zurückwirft. Denn letztlich ist auch Luthers "Allein die Schrift", durch seine Begrenzung des Kanons auf Christus ein "Allein Christus". Als die entscheidende Größe für alle diese Eckpfeiler unseres Glaubens sind wir letztendlich wieder auf Christus zurückgeworfen.

2. Allein aus Glauben

Röm 1,18 nach Hab. 2,4: "Der gerechte wird aus Glauben leben."

Dies ist vielleicht die These des Römerbriefes überhaupt, wonach der Mensch zur Rechtfertigung nicht der Werke sondern nur seines Glaubens bedarf. Diese von Luther aufgenommene These hat zu vielen Missverständnissen geführt: Vor allem von katholischer Seite wurde gerne der Vorwurf erhoben, diese Einstellung führe zu einem sittenlosen Leben. Oder um es moderner zu sagen, das "Allein aus Glauben" führe zur einer "Nur-Gesinnungs-Ethik", bei der nur zählt, was für eine Gesinnung man hat, bei der aber die Konkreta des Handelns außerhalb der ethischen Betrachtung bleiben.

Schauen wir uns dieses Prinzip näher an:

Gal 2,16: "Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht."

Nicht die Werke des Gesetzes, sondern allein der Glauben rechtfertigt den Menschen vor Gott, aber es ist nicht irgendein Glaube, sondern es ist vom Glauben an Jesus Christus die Rede. Wir müssen uns vor Augen halten, was Paulus mit diesem Glauben verbindet:

Gal 5,6: "Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist."

Das ist also mit Glaube gemeint, ein Glaube der durch Liebe tätig ist. Diesen Glauben aber, den liebenden Glauben, sollten wir als einen Grundpfeiler unserer Kirche im Auge behalten. In diesem Sinne: Als Glaube an Jesus Christus, der durch Liebe tätig wird, gilt: "Allein aus Glaube".

3. Allein aus Gnade

Röm 3,22: "Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist."

In diesem Sinne gilt "Allein aus Gnade" als ein weiteres Kriterium der Rechtfertigung, doch schon aus diesem kurzen Abschnitt wird deutlich, dass diese Gnade nicht gedacht werden kann ohne die Erlösung in Jesus Christus.

4. Allein Christus

1. Kor 3,9-13: "Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andren Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus."

Solches findet sich auch in der 1. Barmer These:

"Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Wort Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen."

Deutlicher als hier kann das "Allein Christus" gar nicht mehr formuliert werden, und wie wir gesehen haben laufen alle anderen "Alleine" letztlich auch auf dieses "Allein Christus" zu. "Allein die heilige Schrift" bedeutet so das Zeugnis von Jesus Christus, "Allein aus Gnade" bezeugt die Tat der Erlösung in Christus und "Allein aus Glaube" meint den Glauben an Jesus Christus, der sich in Liebe äußert.

***

Typisch evangelisch heißt somit eigentlich nichts anderes, als allein Jesus Christus als lebensbestimmende Kraft anzuerkennen. Allein auf dieses Evangelium, auf die Frohe Botschaft bezogen zu sein. Das bedeutet eine Freiheit von allen anderen weltlichen Bindungen und damit auch von kirchlichen Hierarchien.

Typisch evangelisch ist somit, dass

  • jeder Gläubige in den Entscheidungen seines Gewissens nur auf Christus verwiesen wird, und sich keinen Sachzwängen unterwerfen darf
  • wir uns überhaupt darüber unterhalten können, was typisch evangelisch ist, ohne dass uns eine Kirche dies von oben erklären kann, denn dafür haben wir die Bibel
  • jeder Gläubige jede andere Instanz der Politik, der Gesellschaft und auch der Kirche mit einer gewissen Unruhe zunächst in Zweifel ziehen sollte.

Typisch evangelisch ist somit

  • eine Tendenz zum Widerstand, um des Evangeliums willen
  • nichts anderes als allein Christus.

Und damit beantwortet sich die Zweite Frage wie von selbst:

 


Was ist der Grund?

Wir hörten ja schon das Wort aus dem 1. Kor: "Einen andren Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus."

Das Wort "Grund" ist in unserem Sprachgebrauch durchaus mehrdeutig:

  • Wir sprechen von einem Grund, wenn wir eine Begründung meinen, zum Beispiel Argumente, auf denen eine bestimmte Aussage fußt.
  • Der Grund ist der Grund, die Erde, auf die wir einen Grundstein legen. Ein Fundament.
  • Der Grund ist der Grund, auf den sich ein Anker in der See festhalten kann, der Sicherheit gibt, auf den ein Schiff aber auch auflaufen kann, auf Grund laufen kann und nun festsitzt.
  • Und dann gibt es noch den Abgrund, eine unergründliche Tiefe, die eben alle diese Sicherheit nicht kennt, die jeden Grundes verlustig geht.

 

In einem Lied unseres Gesangbuches (EG 354) heißt es:

"Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält; wo anders als in Jesu Wunden? Da lag er vor der Zeit der Welt, der Grund, der unbeweglich steht, wenn Erd und Himmel untergehen."

In diesem Lied ist von dem Sicherheit gebenden Grund in Christus die Rede, und vom Abgrund, der alle Sünden verschlingt. Auch hier wird deutlich gesagt: Einen anderen Grund kann niemand legen...

 

Im Grundartikel der Kirchenordnung unserer Landeskirche heißt es:

"Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau steht in der Einheit der einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirche Jesu Christi, die überall dort ist, wo das Wort Gottes lauter verkündigt wird und die Sakramente recht verwaltet werden.

Sie bezeugt ihren Glauben gemeinsam mit der alten Kirche durch die altkirchlichen Bekenntnisse und gemeinsam mit ihren Vätern durch die Augsburger Konfession, unbeschadet der in den einzelnen Gemeinden geltenden lutherischen, reformierten und unierten Bekenntnisschriften.

Damit ist sie einig in der Bindung an die den Vätern der Reformation geschenkten und sie miteinander verbindenden Erkenntnis, daß allein Jesus Christus unser Heil ist, uns offenbart allein in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes, geschenkt allein aus Gnade, empfangen allein im Glauben.

Als Kirche Jesu Christi hat sie ihr Bekenntnis jederzeit in gehorsamer Prüfung an der Heiligen Schrift und im Hören auf ihre Schwestern und Brüder neu zu bezeugen." - Eine wichtige Ergänzung, da wir in unserer Interpretation stets Irrtümern unterliegen. - "In diesem Sinne bekennt sie sich zu der Theologischen Erklärung von Barmen. Aus Blindheit und Schuld zur Umkehr gerufen, bezeugt sie neu die Bleibende Erwählnung der Juden und Gottes Bund mit ihnen. Das Bekenntnis zu Jesus Christus schließt dieses Zeugnis ein."

Diese im Grundartikel unserer Kirche enthaltene Formulierung, an der sich alle weitergehenden Bestimmungen orientieren, stellt eine gute Begründung dar, gerade dieser Kirche anzugehören. Dieser Anker, der uns in Christus hält, gibt Grund, gibt uns Begründung für unser Sein in dieser Kirche.

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Evangelisch- auf gutem Grund. Der eine Grund, gibt uns alle Begründungen:

Evangelisch aus gutem Grund.

Jürgen Füg

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